Der Glauberg
und die Kelten

7000 Jahre Siedlungsgeschichte

Die rätselhaften Bauern, Handwerker und Krieger aus der Eisenzeit

7000 Jahre Siedlungsgeschichte

Der Glauberg hat seit vielen Jahrtausenden eine große Anziehungskraft auf die Menschen ausgeübt.
Spätestens ab der Jungsteinzeit ließen sich im 5. Jahrtausend v. Chr. (Rössener Kultur) auf dem 8 Hektar großen Plateau am Rande der fruchtbaren Wetterau die ersten Ackerbauen und Viehzüchter nieder. Bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. (Michelsberger Kultur) war der Glauberg großflächig und intensiv besiedelt, am sanft abfallenden Nordosthang eventuell auch schon mit einem kleinen Wall gesichert. In der spätbronzezeitlichen Urnenfelderzeit im 10.– 9. Jahrhundert v. Chr. wurde das Plateau zum ersten Mal abschnittsweise befestigt. Herausragende Funde wie bronzene Gewandnadeln, Messer, Lanzenspitzen sowie ein schuhförmiges Keramikgefäß bezeugen die hohe Bedeutung der Siedlung.

Das gesamte Bergplateau wurde gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. mit einer holzverstärkten Steinmauer (sog. Pfostenschlitzmauer) umgeben (Mauer I). Sie fiel zusammen mit der Innenbebauung im 5. Jahrhundert v. Chr. einem großen Brand zum Opfer. Im 5. Jahrhundert v. Chr. wurde fast an derselben Stelle eine gleichartige Mauer neu errichtet (Mauer II). Gleichzeitig wurde die Umgebung des Glaubergs in eine monumentale Ausbauphase einbezogen. So führten zwei Stichwälle – der sogenannte Annex – vom Bergplateau hinunter nach Norden und stauten in ihrer Ecke Wasser in einem großen Becken auf. Auf der südlichen Seite des Berges wurden ein ausgedehntes Gelände durch Wall-Graben-Systeme abgeriegelt und eine zweite Höhe – der Enzheimer Kopf – zum Teil mit einbezogen sowie zwei Grabhügel mit insgesamt drei Gräbern errichtet. Alle drei Toten sind durch die Mitgaben von Waffen als Krieger gekennzeichnet. Handwerklich einzigartige und exquisite Beigaben, teilweise aus Gold, Bronze, Eisen, Koralle, Holz, Leder und Textilien charakterisieren sie als Angehörige einer frühkeltischen Elite.

Besonders der Tote aus Grab 1 fällt durch seine einzigartige Ausstattung auf. Der heute im Gelände rekonstruierte Grabhügel 1 ist darüber hinaus in ein komplexes Grabensystem einbezogen, in dem sich die 1996 bei archäologischen Ausgrabungen entdeckte, fast nahezu komplette vollplastische Sandsteinstatue eines keltischen Kriegers mit einer sog. Blattkrone fand, deren Ausstattung der des Toten in Grab 1 aus Grabhügel 1 verblüffend ähnelt. Fragmente von mindestens drei weiteren Statuen wurden ebenfalls in diesem Bereich gefunden. Ab dem Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. verfielen die keltischen Anlagen allmählich. Der Glauberg gewann erst wieder im Frühen Mittelalter, in alamannischer und fränkischer Zeit (4./5. Jahrhundert und 7. Jahrhundert n. Chr.) an Bedeutung (Mauer III). Im 12./13. Jahrhundert wurde das Plateau nochmals befestigt (Mauer IV) und als staufische Reichsburg Glauburg (Glouburgh) und als Stadtgründung ausgebaut (Mauer V), deren Überreste im Archäologischen Park noch gut sichtbar sind.

Die rätselhaften Bauern, Handwerker und Krieger aus der Eisenzeit

Als „Keltoi“ werden sie um 500 v. Chr. von den Griechen bezeichnet, „Galli“ nannten sie später die Römer. Sie waren die ersten Bewohner nördlich der Alpen, die bei den antiken Geographen und Schriftstellern Erwähnung fanden: die Kelten. Ob es sich bei den Kelten oder Galliern aber um einen einzigen Volksstamm oder um verschiedene Gruppen handelte, die ähnliche Sitten, Kunststile und Technologien hatten, ist nicht bekannt. Auch wissen wir nicht, ob sich die Kelten selbst als solche bezeichneten oder ob nur ein Teilstamm diesen (oder einen ähnlichen) Namen hatte, der von den antiken Autoren aus Griechenland oder Rom auf alle ähnlichen Bevölkerungsgruppen übertragen wurde.

Im 7./6. Jahrhundert v. Chr. zunächst in einem kleineren Gebiet zwischen Ostfrankreich und Böhmen, der Nordschweiz und dem Maingebiet beheimatet, verbreitete sich spätestens ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. keltische Kunst und Kultur durch Auswanderer, Abenteurer und Söldner. Schließlich war ein ausgedehntes Gebiet von der Atlantikküste bis weit über die Alpen nach Norditalien und Großgriechenland „keltisch infiziert“, allerdings nicht unbedingt überall mit den gleichen Dialekten, Sitten und Riten.
Im Kern handelte es sich um eine bäuerlich geprägte Gesellschaft, nichtsdestotrotz wurden Innovationen wie Eisentechnologie (ab dem 8. Jahrhundert v. Chr.), die Töpferscheibe (ab etwa 520 v. Chr.) aus dem Süden sowie die Münzprägung (ab etwa dem 3. Jahrhundert v. Chr.) nicht nur angenommen, sondern auch in eigenem Stil umgesetzt und weiterentwickelt.

Dazu kommen Kontakte in den Süden, was herausragende und teils einzigartige Südimporte belegen, die in der frühkeltischen Zeit der 6. Jahrhunderts v. Chr. auf topographisch herausragenden Höhensiedlungen („Fürstensitze“) wie zum Beispiel der Heuneburg bei Sigmaringen, dem Breisacher Münsterberg und dem Mont Lassois im Burgund sowie in exzeptionell ausgestatteten Großgrabhügeln frühkeltischer Persönlichkeiten („Fürstengräber“) wie in Eberdingen-Hochdorf bei Stuttgart oder Vix im Burgund als Beigaben auftauchen. Zu dieser Zeit scheint es schon jene ausgeprägte Sozialstruktur zu geben, die von späteren antiken Schriftstellern wie Gaius Julius Caesar im Detail beschrieben wurde.
Aus der spätkeltischen Zeit des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. sind die „Oppida“ bekannt: große stadtartige Anlagen wie z.B. Manching bei Ingolstadt, Alkimoenis (Kelheim) oder Bibracte (Mont Beuvray im Burgund). Eine Siedlungsgröße über 100 ha ist hier keine Seltenheit: der Heidengraben auf der Schwäbischen Alb hatte eine Gesamtfläche von über 1600 Hektar. Handwerkerquartiere lassen auf Spezialistentum innerhalb einer immer noch vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft schließen. Münzprägung und -guß übernahmen die späten Kelten genauso gerne von den Griechen wie den Wein von den Römern: importierte Weinamphoren zeugen ebenso davon wie die Berichte der antiken Schriftsteller über die gallischen Barbaren, die den Wein unverdünnt und in rauen Mengen tranken. Aber nicht nur ihre Trinksitten unterschieden sich von ihren Nachbarn aus dem Mittelmeergebiet, auch die erwähnten griechischen Münzen wurden nicht 1:1 kopiert, sondern in einem eigenen keltischen Kunststil umgesetzt.

Die Fotos zeigen eine Zusammenstellung typischer Frühlatènefunde vom Glauberg

Während der römischen Expansion im 1. Jahrhundert v. Chr. verschwanden allmählich die typischen keltischen Hinterlassenschaften; die hiesige Bevölkerung passte sich den Gebräuchen der neuen „Herren“ an.

Auf den britischen Inseln finden sich im Südosten zwar vereinzelt Objekte im keltischen Festlandstil, aber selbst die antiken Schriftsteller bezeichneten die Britannier nicht als „Kelten“. Der sog. Keltische Kunststil der irischen Buchmalerei des Frühen Mittelalters ist letztlich auch eine Kombination keltischer Ornamente, germanischer Tierstilmuster und römischer Kunststile. So sind die oft als „keltisch“ bezeichneten Iren, Waliser und Schotten auch keine Nachfahren „unserer“ kontinentaleuropäischen Kelten.