Rekonstruktion der Bogenausrüstung des „Keltenfürsten vom Glauberg“

War der Keltenfürst vom Glauberg ein Jäger? Einige Beigaben in seinem Grab lassen diesen Schluss zu. Am sichersten erscheint dabei die Deponierung von drei Pfeilen. Die eisernen Spitzen, an denen sich sogar noch Reste der Holzschäfte befanden, lagen aber nicht isoliert im Grab. Zahlreiche Lagen aus Holz, Leder und Stoff verweisen auf einen aufwendig konstruierten Köcher, der seine Stabilität primär einer Röhre aus Pappelholz verdankte. Vom Bogen selbst fand der Restaurator nur noch mit feinsten Ritzmustern verzierte Holzbröckchen. Ihre Lage erlaubt zusammen mit der rekonstruierbaren Länge der Pfeile eine Annäherung an die einstige Bogenform. Diese geschwungene Form und eine geschätzte Länge von etwa 120 Zentimetern erinnern an Waffen der Ureinwohner Nordamerikas. Sie sind somit ein Beleg für die Praxistauglichkeit des Bogens, den der Keltenfürst wohl vor allem bei der Jagd zu schätzen wusste.

Kleine Gewandspange mit Goldscheibe

Fibeln, also metallene Spangen nach Art einer Sicherheitsnadel, dienten gewöhnlich als Kleidungsverschlüsse. Große Exemplare sicherten wohl schwere Wollmäntel, grazile Fibeln hingegen leichtere Kleidungsstücke. Als ausgesprochene Miniatur wirkt das Exemplar, das im Mundbereich des Leichnams aus Grab 3 vom Glauberg entdeckt wurde. Es ist aus Bronze gefertigt, lediglich 2 Zentimeter lang, allerdings mit zwei Korallenperlen und einer Scheibe aus Goldfolie verziert. Ausgehend von der Überlegung, dass die Dimension Aufschluss über den einstigen Verwendungszweck gibt, muss man von einem feinen Gewebe ausgehen, dass die Fibel einst zusammenheftete. Auch die auf sie wirkende Kraft wird eher gering gewesen sein. Somit lässt sich an eine feine Stofflage denken, die die Fibel vor dem Gesicht des Leichnams verschloss. Über den Grund kann allerdings nur spekuliert werden.

Goldener Fingerring des „Keltenfürsten“

Zu den aus Gold gefertigten Beigaben, die die herausragende Stellung des Toten aus Grab 1 vom Glauberg besonders unterstreichen, zählt ein Fingerring. Mit einem Innendurchmesser von 1,8 Zentimetern entspricht er etwa der heutigen Ringgröße 57. Er ist aus mehreren Einzelteilen aufgebaut, wobei die aus Perldraht gefertigten Zierelemente mit dem Rest des Rings verschweißt wurden. Nach Ausweis der Grabungsdokumentation trug der Tote den Ring an seinem rechten Ringfinger. Dies ist auch die Position, an der die Darstellung eines Rings an der Sandsteinstatue vom Glauberg zu sehen ist. Das Tragen eines Rings am Ringfinger kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Die Tatsache, dass Ringe bereits in der Vergangenheit häufig aus Gold gefertigt wurden, trug dem Ringfinger auch den Namen Goldfinger ein.

Luxuswagen in der keltischen Welt

Während die meisten Menschen der keltischen Welt sicherlich zu Fuß unterwegs waren, waren Pferdewagen den Angehörigen der Oberschicht vorbehalten. Oder andersherum: Da wir nicht von vornherein wissen, wer zur Oberschicht gehörte, werden Teile der Wagen generell als Anzeiger für die Anwesenheit einer Oberschicht gewertet. Bei Grabinventaren stellt dies meist auch kein Problem dar, da Objekte vom Wagen oder zugehörigem Pferdegeschirr meist nicht die einzigen qualitätvollen Beigaben sind. Anders verhält sich dies bei Siedlungen. Erwartet werden solche Objekte, die zu dem selteneren Fundgut gehören, eher in großen Zentralsiedlungen, meistens befestigt und an einer markanten Stelle der Landschaft angelegt. Daher war es eine Überraschung, als bei einer Grabung der hessenArchäologie 2018 in einer Siedlungsgrube bei Lützellinden (Gießen) neben anderen qualitätvollen Objekten ein verzierter Achsnagel vom Ende des 3. oder aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. entdeckt wurde, die eher von zeitgleichen städtischen Siedlungen (oppida) oder anderen wichtigen Orten bekannt sind. Ein solcher Achsnagel, vor dem aufgesteckten Speichenrad durch ein Loch im Achsschenkel gesteckt, sichert das Rad auf der Achse und verhindert, dass es während der Fahrt vom Achsschenkel runterläuft.

Ein Blick auf die Karte verrät, dass Lützellinden an einer wichtigen Route liegt zwischen Bad Nauheim im Süden, wo eine der größten mitteleuropäischen Salinen des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. betrieben wurde, und dem Dünsberg im Norden, auf dem die mächtigen Ringmauern noch die damalige keltische Stadt bezeugen. Damit kann ein Achsnagel wie aus Lützellinden als Hinweis dienen, dass Mitglieder der Oberschicht nicht nur in Zentralorten lebten, sondern sich auch in ländlichen Siedlungen aufhielten, wohnten und eventuell auch bestimmte Wegabschnitte kontrollierten. Oder gab es vielleicht hier nur eine Raststation, bei der ein Rad repariert werden musste?

Zum weiter Lesen: Jens Köhler/ Ferenc Kántor, Scheinbar unscheinbar! Ungewöhnliches Fundmaterial aus Lützellinden. Landkreis Gießen: Überraschendes aus einer mittellatènezeitlichen Grube im Gießener Stadtgebiet. hessenARCHÄOLOGIE 2018, Seite 90–94.

Eselkarren und Lorenbahn auf dem Glaubergplateau

Bereits in den 1930er Jahren wurden umfangreiche archäologische Untersuchungen durch Prof. Dr. Heinrich Richter auf dem Glaubergplateau durchgeführt. Im Zuge der Untersuchungen der hessenARCHÄOLOGIE und unseres Forschungszentrums in den letzten Jahren wurden auch die wenigen, den 2. Weltkrieg überdauernden, Dokumentationen von Prof. Richter digitalisiert und erfasst (das meiste ist leider gegen Kriegsende verbrannt). Bei einem Großteil davon handelt es sich um Fotos. Die meisten zeigen mehr oder weniger gut zuordenbare Befundsituationen, einige illustrieren aber auch sehr schön die Grabungstechnik und den Grabungsablauf in den 30er Jahren. Wenig bekannt ist dabei beispielsweise die Tatsache, dass auf dem Glauberg eine Lorenbahn zum Abtransport des Abraumes, zum Beispiel an der damals vollständig freigelegten Kellerzeile, eingerichtet wurde. Die Wägen mussten den steilen Glauberg mit Unterstützung von Eseln hinaufgezogen werden, um dann auf den Schienen „von Hand“ in Betrieb genommen zu werden. Esel tauchen als Lastentiere auf den Fotos immer wieder auf, so zum Beispiel auch beim Transport von Wasser auf das Plateau.