Mediathek

Luxuswagen in der keltischen Welt

Foto: Achsnagel aus Gießen-Lützelinden

Während die meisten Menschen der keltischen Welt sicherlich zu Fuß unterwegs waren, waren Pferdewagen den Angehörigen der Oberschicht vorbehalten. Oder andersherum: Da wir nicht von vornherein wissen, wer zur Oberschicht gehörte, werden Teile der Wagen generell als Anzeiger für die Anwesenheit einer Oberschicht gewertet. Bei Grabinventaren stellt dies meist auch kein Problem dar, da Objekte vom Wagen oder zugehörigem Pferdegeschirr meist nicht die einzigen qualitätvollen Beigaben sind. Anders verhält sich dies bei Siedlungen. Erwartet werden solche Objekte, die zu dem selteneren Fundgut gehören, eher in großen Zentralsiedlungen, meistens befestigt und an einer markanten Stelle der Landschaft angelegt. Daher war es eine Überraschung, als bei einer Grabung der hessenArchäologie 2018 in einer Siedlungsgrube bei Lützellinden (Gießen) neben anderen qualitätvollen Objekten ein verzierter Achsnagel vom Ende des 3. oder aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. entdeckt wurde, die eher von zeitgleichen städtischen Siedlungen (oppida) oder anderen wichtigen Orten bekannt sind. Ein solcher Achsnagel, vor dem aufgesteckten Speichenrad durch ein Loch im Achsschenkel gesteckt, sichert das Rad auf der Achse und verhindert, dass es während der Fahrt vom Achsschenkel runterläuft.

Ein Blick auf die Karte verrät, dass Lützellinden an einer wichtigen Route liegt zwischen Bad Nauheim im Süden, wo eine der größten mitteleuropäischen Salinen des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. betrieben wurde, und dem Dünsberg im Norden, auf dem die mächtigen Ringmauern noch die damalige keltische Stadt bezeugen. Damit kann ein Achsnagel wie aus Lützellinden als Hinweis dienen, dass Mitglieder der Oberschicht nicht nur in Zentralorten lebten, sondern sich auch in ländlichen Siedlungen aufhielten, wohnten und eventuell auch bestimmte Wegabschnitte kontrollierten. Oder gab es vielleicht hier nur eine Raststation, bei der ein Rad repariert werden musste?

Zum weiter Lesen: Jens Köhler/ Ferenc Kántor, Scheinbar unscheinbar! Ungewöhnliches Fundmaterial aus Lützellinden. Landkreis Gießen: Überraschendes aus einer mittellatènezeitlichen Grube im Gießener Stadtgebiet. hessenARCHÄOLOGIE 2018, Seite 90–94.

Achsnagel aus Gießen-Lützelinden

Epoche: Eisenzeit (keltisch)

Thema: Handel und Wege, Technik und Handwerk

Fundort: Gießen-Lützelinden

Material: Eisen

Datierung: Ende 3. oder 2. Jahrhundert v. Chr. (Mittellatènezeit)

Aufbewahrungsort:
Zentraldepot hessenARCHÄOLOGIE

Quelle: Text: Dr. Julia K. Koch; Foto: Pavel Odvody (beide: Keltenwelt am Glauberg)